EuGH entscheidet über die Verwendung von Schufa-Scoring

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat kürzlich entschieden (Urt. v. 07.12.2023, Az. C-634/21), dass die Scoring-Praxis der Schufa gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) verstößt, insbesondere wenn Zahlungsprognosen eine maßgebliche Grundlage für Vertragsentscheidungen darstellen. Dieses Urteil wirft die Frage auf, inwieweit der Datenschutz in diesem sensiblen Bereich gewährleistet ist.

 

In zahlreichen Lebensbereichen, sei es beim Abschluss eines Handyvertrags, der Beantragung eines Kredits oder dem Wechsel des Stromanbieters, ist eine Bonitätsprüfung unumgänglich. Die Schufa, als Wirtschaftsauskunftei mit Sitz in Wiesbaden, spielt dabei eine zentrale Rolle. Ihre Aufgabe besteht darin, Daten zu sammeln, zu verarbeiten und in individuelle Scores umzuwandeln, die Unternehmen vor Vertragsabschlüssen abfragen. Diese Scores dienen als Prognose für die Wahrscheinlichkeit, dass gelieferte Waren oder erbrachte Dienstleistungen auch tatsächlich bezahlt werden können.

 

Das Verwaltungsgericht Wiesbaden bat den EuGH im Januar 2022 um Auslegung der DSGVO mit besonderem Fokus auf Art. 6 Abs. 1 und Art. 22 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates (Beschl. v. 31.01.2022, Az. 6 K 1052/21). Zu klären ist das Sammeln persönlicher Merkmale, das dauerhafte Speichern der Daten die mangelnde Transparenz bezüglich der mathematisch-statistischen Ausgestaltung des Scoringmodells und der Verwendung dieses Scoring Unter den Regelungen der DSGVO. Bereits 2014 entschied der Bundesgerichtshof (Urt. v. 28.01.2014, Az. VI ZR 156/13), dass die Schufa ihre Algorithmen nicht offenlegen muss. Nun sah sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) aufgrund des Vorlagebeschlusses des Verwaltungsgerichts Wiesbaden dazu veranlasst zu klären, ob die Geschäftspraktiken der Schufa mit der DSGVO vereinbar sind.

In seinem Urteil stellte der EuGH mit folgenden Worten fest, dass die Scoring-Praxis der Schufa nicht immer Zulässig ist.

 

„Die betroffene Person sollte das Recht haben, keiner Entscheidung – was eine Maßnahme einschließen kann – zur Bewertung von sie betreffenden persönlichen Aspekten unterworfen zu werden, die ausschließlich auf einer automatisierten Verarbeitung beruht und die rechtliche Wirkung für die betroffene Person entfaltet oder sie in ähnlicher Weise erheblich beeinträchtigt, wie die automatische Ablehnung eines Online-Kreditantrags oder Online-Einstellungsverfahren ohne jegliches menschliche Eingreifen“.

 

Es wurde demnach betont, dass ein Datenschutzverstoß bei der Verwertung des Scoring nur dann vorliegt, wenn das Scoring eine maßgebliche Rolle bei der Entscheidung über einen Vertragsabschluss spielt, wie etwa im Fall der Kreditvergabe. Das Verwaltungsgericht Wiesbaden ist nun gefordert zu prüfen, ob das deutsche Bundesdatenschutzgesetz eine gültige Ausnahme im Einklang mit der DSGVO enthält und ob die allgemeinen Voraussetzungen für die Datenverarbeitung seitens der Schufa erfüllt sind.

 

Ein weiterer Aspekt, der im Rahmen dieses Verfahrens behandelt wurde, betrifft die Speicherung von Informationen die nach einer Privatinsolvenz entstehen. Insolvenzgerichte  löschen öffentliche Informationen nach 6 Monaten, wobei die Schufa diese bis zu 3 Jahre speicherte. Hier stellte der EuGH fest, dass die Schufa diese Daten bisher zu lange speicherte. Dies führte somit zu einem Widerspruch mit der DSGVO. Die "existenzielle Bedeutung" der Restschuldbefreiung wurde dabei besonders betont.

 

Die Schufa begrüßte die Klarheit, die durch die EuGH-Entscheidung geschaffen wurde, und kündigte an, ihre Praxis zur Erhebung und zum Umgang mit Daten zu überarbeiten. Bereits im Vorfeld hatte die Schufa signalisiert, dass sie ihre Vorgehensweise überdenken würde, sollte es zu neuen Rechtsauslegungen oder Gesetzen kommen. Man bekräftigte den Beitrag zur Aufrechterhaltung eines funktionierenden Wirtschaftslebens in Deutschland. Die Speicherfrist für Informationen zur Restschuldbefreiung die durch die Privatinsolvenz entstehen wurde bereits auf sechs Monate verkürzt. Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen sieht in den EuGH-Urteilen eine Stärkung der Verbraucherrechte. 

 

Wie stark die Auswirkungen des Urteils tatsächlich sind, hängt davon ab, wie das Verwaltungsgericht Wiesbaden die Wirksamkeit der Regelungen im nationalen Recht zum Scoring beurteilt. Ob der Gesetzgeber daraufhin noch einmal gesetzlich nachbessert, um Auskunfteien eine verlässliche Rechtsgrundlage zu schaffen, ist abzuwarten.

 

"EuGH entscheidet über die Verwendung von Schufa-Scoring"

von Oualid El Ouakili, wissenschaftlicher Mitarbeiter