FAKE NEWS: Blogger zu 12.000 EUR Geldstrafe verurteilt

Das Amtsgericht Mannheim hat mit Urteil vom 07.01.2019 (AZ.: 20 Cs 806 Js 10181/18) einen Blogger wegen Störung des öffentlichen Friedens nach § 126 Strafgesetzbuch (StGB) zu einer Geldstrafe verurteilt. Nachdem dieser zunächst einen Strafbefehl über eine Geldstrafe in Höhe von 9.000,00 EUR erhalten hatte, legte er hiergegen Einspruch ein. Über den Einspruch hatte das Gericht dann in öffentlicher Hauptverhandlung zu entscheiden, verurteilte den Angeklagten und erhöhte die Geldstrafe sogar auf 12.000,00 EUR.

 

Das Gericht stellte fest, dass der nicht vorbestrafte Angeklagte als verantwortlicher Redakteur der Website „R(…)blog.de“ am frühen Morgen des 25.03.2018 um 03 Uhr 34 unter einem Pseudonym einen Artikel mit folgenden Überschriften veröffentlichte:

 

„136 Tote – 237 Verletzte – Chaos in der Stadt – Antiterroreinheiten im Einsatz“ und „Massiver Terroranschlag in Mannheim“

 

Die Website hat der Angeklagte mit seinem Facebook- und Twitter-Account verlinkt, so dass nachweislich 20.000 User dieser Social-Media-Angebote den Artikel aufriefen. Beide Verlinkungen waren mit einem Farbfoto versehen, welches blutverschmierten Malerkrepp zeigte.

 

In dem Artikel hieß es u.a. wörtlich: 

 

“Offiziell wurden bislang 136 Tote gezählt, 237 sind verletzt, zum Teil lebensgefährlich. Rund 50 Angreifer haben mit Macheten und anderen Messern verschiedene Feste in der Stadt gestürmt. Sie griffen gleichzeitig in Zweier-Trupps an 25 Stellen an und sorgten für ein Blutbad apokalyptischen Ausmaßes.”

 

und

 

“Überall in den Straßen liegen leblose Körper auf dem Boden. In der Luft liegt der Geruch von Blut. Verletzte schreien oder betteln um Hilfe. Menschen rennen ziellos umher.”

 

Insgesamt war der Artikel realistisch geschrieben. Es war sogar die Rede davon, dass bestimmte Social-Media-Kanäle gezielt blockiert worden seien, um eine Massenpanik zu verhindern. Eine größere Zahl der Angreifer sei nun im Stadtgebiet unterwegs. 

 

Der Artikel endete dann an einer „Bezahlschranke“. Den vollständigen Artikel konnte man nur nach Abschluss eines Abos lesen. Keiner der Leser schloss jedoch solch ein Abo ab. 

 

In dem hinter der „Bezahlschranke“ befindlichen Artikel klärte der Blogger dann auf, dass der Terroranschlag tatsächlich nicht stattgefunden hat und es sich lediglich um „Gonzo-Journalismus“ und einen „Mix von Fakten und Fiktion“ handele. Für Leser, die lediglich den frei zugänglichen Teil zur Verfügung hatten, war dies jedoch nicht erkennbar.

 

Zwar verfremdete der Angeklagte in seinem Artikel benannte Mannheimer Orte und Personen. So wurde der „Marktplatz“ zum „Markenplatz“ und der „Paradeplatz“ zum „Paradiesplatz“. Ministerpräsident Winfried Kretschmann wurde zu Siegfried Kretschmann.

 

Das Gericht sieht die Strafbarkeit des Verhaltens dennoch als gegeben an, wenn es ausführt:

 

„Dem Angeklagten war bewusst, dass die durch ihn erreichte unbestimmte Anzahl von Lesern, nicht erkennen würde, dass der Terroranschlag frei erfunden war und durch die realistische Schilderung in Angst versetzt würde. Er nahm zumindest billigend in Kauf, dass die Veröffentlichung geeignet war, den öffentlichen Frieden zu stören und Teile der Bevölkerung in ihrem Vertrauen auf die Fortdauer eines friedlichen Zustands zu erschüttern zutiefst zu beunruhigen.“

 

Tatsächlich riefen in der besagten Nacht unzählige verängstigter, panischer Bürger bei Feuerwehr und Polizei an, die dann Aufklärung leisten mussten. Ein User schilderte dies so:

 

“Ich kenne einige Leute aus Mannheim und habe mir extreme Sorgen gemacht.” und “Ich war um 5 Uhr wach, da war der obere unbezahlt-Teil des Artikels nicht als Fiktion gekennzeichnet. Dann habe ich ne halbe Stunde gebraucht um klar zu kommen mit dem was ich lese. Ich hab große Angst gehabt und erst ein Anruf bei der Feuerwehr löste das Problem auf.”

 

Erst Stunden nach der Veröffentlichung stellte der Blogger durch Veröffentlichung eines weiteren Artikels mit der Überschrift "Wir haben Fakenews veröffentlicht – aus Gründen” und “Denken statt liken” klar, dass der Terroranschlag nie stattgefunden hat. In diesem zweiten Artikel nannte der Blogger den ersten Artikel ein „Stück“ und verglich es mit „Krieg der Welten“ von H. G. Wells. Er schilderte, dass er Aufmerksamkeit für mögliche Bedrohungslagen habe erzeugen und eine Debatte erzwingen wollen.

 

Der Angeklagte hat sich nach Einschätzung des Gerichts der Störung des öffentlichen Frieden durch Vortäuschung, die Verwirklichung eines Mordes, Totschlags oder einer schweren Körperverletzung stehe bevor, gemäß § 126 Absatz 2 in Verbindung mit Absatz 1 StGB schuldig gemacht. Das Gericht begründet sein Urteil wie folgt:

 

„Auf diese Weise hat der Angeklagte bei den Lesern des Artikels eine Fehlvorstellung über bevorstehenden Mord, Totschlag und schwere Körperverletzung an einer unbestimmten Anzahl von Personen hervorgerufen, somit bevorstehende Katalogtaten nach § 126 Abs. 1 Nr. 2 und 3 StGB vorgetäuscht. 

“Bevorstehende Tat” im Sinne des § 126 Abs. 2 StGB umfasst gerade einen solchen Fall, in welchem bereits im Gange befindliche Straftaten fortgesetzt werden, eine sog. Dauergefahr.

Die Veröffentlichung des Artikels über die Internetseite “R[...]blog.de” sowie über die Facebook- und Twitterseite desselben, ist auch geeignet, Teile der Bevölkerung bzw. eine nicht unbeträchtliche Personenmehrheit ernsthaft zu beunruhigen und das Vertrauen in die öffentliche Rechtssicherheit zu beeinträchtigen, somit den öffentlichen Frieden zu stören. Eine solche Störung ist durch die tatsächliche Beunruhigung einiger Bürger auch konkret eingetreten.

Der Angeklagte hatte positive Kenntnis, dass keine der von ihm vorgetauschten Straftaten tatsächlich bevorstanden und handelte somit wider besseren Wissens. Dem Angeklagten war ebenso bewusst, dass Leser die von ihm eingebauten minimalen Fehler übersehen könnten und die Bezahlschranke nur von wenigen bis keinen Lesern überwunden werden würde und daher die Möglichkelt bestand, dass die Leser den Artikel für glaubhaft hielten und besorgt oder beängstigt reagierten. Um sein Ziel, eine Debatte auszulösen, zu erreichen, nahm er dies zumindest billigend in Kauf."

 

Zur Höhe der Tagessätze führte das Gericht schließlich aus:

 

„Unter Abwägung aller Strafzumessungsgesichtspunkte erschien dem Gericht eine Geldstrafe von 120 Tagesatzen als tat- und schuldangemessen. Die Höhe der einzelnen Tagessätze wurde gem. § 40 Abs. 3 StGB vom Gericht geschätzt und auf 100,00 Euro festgesetzt. Hierbei wurde von einem durchschnittlichen Nettogehalt eines Redaktionsleiters von 3000,00 Euro ausgegangen. [...]“

 

Nach alledem bleibt festzuhalten, dass Fake News u.a. strafbar sein können.

 

"FAKE NEWS: Blogger zu 12.000 EUR Geldstrafe verurteilt"

von Rechtsanwalt Markus Schultz