FIFA-Transfersystem: Führen Verstöße gegen EU-Recht zu weitreichenden Änderungen?

Die Fußballwelt hält den Atem an – zumindest bis der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) im Rechtsstreit zwischen der FIFA und Ex-Fußballprofi Lassana Diarra ein Urteil gefällt hat. Sollten die Richter den Schlussanträgen des Generalanwaltes Szpunar folgen, so könnte eine Revolution des Fußball-Transfersystems anstehen. 

 

Konkret geht es in dem Verfahren um die FIFA-Regelungen bezüglich (möglicherweise) vertragsbrüchiger Spieler. Lassana Diarra war ein solcher vertragsbrüchiger Spieler, wie der Sportgerichtshof CAS bereits festgestellt hat (CAS 2015/A/4094). Nach nur einem Jahr beim russischen Fußballverein Lokomotive Moskau kündigte er seinen auf vier Jahre befristeten Vertrag ohne triftigen Grund. Die Transfer-Regularien des Weltfußballverbandes FIFA erlauben zwar eine einseitige Kündigung von Spielern ohne triftigen Grund, sehen aber für diesen Fall eine Schadensersatzpflicht des Spielers vor (Art. 17 des FIFA-Reglements bezüglich Status und Transfers der Spieler (RSTS)). Lassana Diarra fand im Folgenden keinen neuen Verein und macht nun die FIFA-Regelungen für einen gescheiterten Wechsel zum belgischen Verein Sporting du Pays de Charleroi verantwortlich. Daher verklagte er die FIFA und den belgischen Fußballverband auf sechs Millionen Euro Schadensersatz. 

 

Denn die FIFA-Regularien machen es einem vertragsbrüchigen Spieler nicht leicht, einen neuen Verein zu finden. Art. 17 Abs. 2 der FIFA-RSTS bestimmt, dass neben dem Spieler auch dessen neuer Verein für die vom alten Verein geforderte Entschädigungssumme haftet. Innerhalb der Schutzzeit können einem Verein zusätzlich zur Verpflichtung, eine Entschädigung zu zahlen, auch sportliche Sanktionen auferlegt werden. Ein Verein, der einen Berufsspieler, der seinen Vertrag ohne triftigen Grund aufgelöst hat, unter Vertrag nimmt, macht sich der Anstiftung zum Vertragsbruch schuldig, es sei denn, er kann den Gegenbeweis antreten (Art. 17 Abs. 4 FIFA-RSTS). Aufgrund dieser Mithaftung und Sanktionsgefahr werden in der Praxis viele Vereine davon absehen, einen mutmaßlich vertragsbrüchigen Spieler zu verpflichten, so dass dieser daran gehindert ist, seinen Beruf bei einem anderen Verein weiter auszuüben. Diese Regelungen verstoßen nach dem Vortrag des EUGH-Generalanwaltes Szpunar gegen die unionsrechtlich verbürgte Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 AEUV) und gegen das europäische Kartellverbot (Art. 101 AEUV). 

 

Zwar könnte die Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit durch das Allgemeininteresse an der Einhaltung vertraglicher Bindungen gerechtfertigt sein. Problematisch sei, so Generalanwalt Szpunar, jedoch insbesondere die Beweislastumkehr des Art 17 Abs. 4 FIFA-RSTS, denn durch diese werden auch solche Spieler belastet, die ihren Vertrag berechtigterweise gekündigt haben, solange noch eine unklare Rechtslage besteht. Hier dürfte eine Änderung der FIFA-Regularien notwendig werden, so dass die Sanktionen gegen den neuen Verein nur bei einer nachgewiesenen Anstiftung zum Vertragsbruch greifen.

 

Darüber hinaus kritisiert Szpunar auch eine Unvereinbarkeit mit Art. 101 AEUV. Indem für Vereine die Möglichkeit der Verpflichtung von Spielern eingeschränkt wird, beeinträchtigt die RSTS zwangsläufig den Wettbewerb zwischen den Vereinen und sei mithin eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung. Für eine solche gelten nach neuerer EuGH-Rechtsprechung auch bei Verbandsregelungen die erhöhten Rechtfertigungsvoraussetzungen des Art. 101 Abs. 3 AEUV, die hier nicht erfüllt sein dürften. Sollte der Gerichtshof, der eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung üblicherweise eher restriktiv annimmt, dem Vortrag des Generalanwaltes folgen, könnte dies tatsächlich weitreichende Folgen für das FIFA-Transfersystem haben. Denn dann könnte man entsprechend auch weitere FIFA-Regelungen, die vorzeitige Spielerwechsel ohne Ablöseverhandlungen während eines noch laufenden Vertrages verhindern sollen, als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung ansehen. 

 

Abzuwarten bleibt also, ob der Gerichtshof hier eine großzügige Betrachtung der FIFA-Regularien vornimmt, indem er den Begriff der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung restriktiv auslegt oder ob er mit seiner Entscheidung einen Umbruch für das gesamte Fußball-Transfersystem einläuten wird. 

 

"FIFA-Transfersystem: Führen Verstöße gegen EU-Recht zu weitreichenden Änderungen?"

von Sebastian Schäpers, wissenschaftlicher Mitarbeiter