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BGH: Bereits Versand von Product Keys für Computerprogramme kann zur Verurteilung führen

Die Microsoft Corporation (nachfolgend: Microsoft) verklagte erfolgreich bis zum Oberlandesgericht (OLG) München eine Webshop-Betreiberin (nachfolgend: Beklagte zu 1) wegen Verletzung des Urheberrechts an Computerprogrammen unter anderem auf Unterlassung. Gegen das Urteil des OLG München wollte sich die Beklagte zu 1 vor dem BGH zur Wehr setzen.

 

Die Beklagte zu 1 betreibt neben ihrem eigenen Webshop auch einen Account auf der Internetplattform eBay und handelte bundesweit mit Microsoft Computerprogrammen. 

 

Microsoft ist Inhaberin von zwei deutschen Wortmarken „MICROSOFT“ und einer deutschen Wort-Bild-Marke „Windows“, die jeweils für Computerprogramme eingetragen sind.

 

Die Beklagte zu 1 hatte unter Nutzung des Zeichens „Microsoft“ oder „Windows“ Product Keys als Lizenzen für „Microsoft Windows 7 Home Premium“ und „Microsoft Windows 7 Professional“ angeboten und verkauft. Mittels Testkäufe ermittelte Microsoft nach eigenen Angaben, dass es sich bei den Datenträgern um Fälschungen handele. Die Product Keys seitens der Beklagten zu 1 berechtigten laut Microsoft nicht zur Einräumung der Rechte an den Computerprogrammen von Microsoft. 

 

Der Bundesgerichtshof (BGH) wies mit nunmehr veröffentlichtem Hinweis-Beschluss vom 21.09.2017 zu dem Aktenzeichen I ZR 230/16 darauf hin, dass er beabsichtigte, die Revision der Beklagten zu 1 gegen das Urteil v. 22.09.2016 – 29 U 3449/15 des OLG München zurückzuweisen.

 

Das Besondere an dem Hinweis des BGH sind - neben den hier nicht thematisierten prozessualen Besonderheiten - die Ausführungen zur sog. Erstbegehungsgefahr, die bereits zu einem Unterlassungsanspruch wegen erst drohender (!) Rechtsverletzung, also noch nicht eingetretener Verletzung führen:

 

„(…) Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass der mit dem Hilfsantrag zu VII.1 erhobene Unterlassungsanspruch begründet ist, weil die Beklagte zu 1 sich nicht mit Erfolg auf eine Erschöpfung des Rechts an den Computerprogrammen berufen kann, deren Vervielfältigung sie Dritten durch die Übermittlung von Product Keys gestattet hat.

a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte zu 1 für eine von ihr begründete Gefahr unberechtigter Vervielfältigungen des Computerprogramms der Klägerin durch Kunden nach § 97 Abs. 1 Satz 2 UrhG auf Unterlassung haftet. Ein auf Erstbegehungsgefahr gestützter vorbeugender Unterlassungsanspruch setzt voraus, dass ernsthafte und greifbare tatsächliche Anhaltspunkte für eine in naher Zukunft konkret drohende Rechtsverletzung bestehen. Der vorbeugende Unterlassungsanspruch kann sich nicht nur gegen den möglichen Täter, sondern auch gegen denjenigen richten, der als potentieller Teilnehmer oder Störer eine Erstbegehungsgefahr für durch Dritte begangene Verletzungshandlungen begründet. Danach haftet die Beklagte zu 1 für ein von ihr bewirktes unbefugtes Vervielfältigen des Computerprogramms durch Kunden als mittelbarer Täter oder aber als Gehilfe oder Störer auf Unterlassung (vgl. BGH, Urteil vom 19. März 2015 - I ZR 4/14, GRUR 2015, 1108 Rn. 53 = WRP 2015, 1367 - Green-IT, mwN). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte zu 1 durch den Versand von Product Keys für die Computerprogramme der Klägerin an Kunden die ernstliche Gefahr begründet, dass diese Kunden die Programme von der Internetseite der Klägerin herunterladen und damit in deren ausschließliches Recht nach § 69c Nr. 1 UrhG zur Vervielfältigung eingreifen.“

 

Also allein der Versand von Product Keys kann die Gefahr für Rechtsverletzungen begründen.

 

Darüber hinaus machte der BGH zur sog. Erschöpfung des Rechts zur Vervielfältigung von Computerprogrammen Ausführungen, weil sich die Beklagte zu 1 auf eine Erschöpfung berief. Der Erschöpfungsgrundsatz bedeutet vereinfacht, dass sich ein Recht „verbrauchen“ kann, wenn ein Gegenstand rechtmäßig in den Verkehr gebracht wird. Beispielsweise kann also ein Urheber nicht verhindern, dass seine Musik-CD, die erstmalig rechtmäßig verkauft wurde, sodann weiterverkauft wird. Freilich bezieht sich diese Erschöpfung des Rechts nur auf den konkreten verkauften Gegenstand. Der BGH erklärt zu Computerprogrammen und zur Beweislage im konkreten Fall:

 

„b) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagte zu 1 könne sich nicht mit Erfolg auf eine Erschöpfung des ausschließlichen Rechts der Klägerin zur Vervielfältigung der Computerprogramme berufen. Die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte zu 1 habe nicht dargelegt und unter Beweis gestellt, dass die Rechte an den aufgrund der übermittelten Product Keys möglicherweise heruntergeladenen Programmkopien erschöpft gewesen seien. Das Landgericht, auf dessen Urteil das Berufungsgericht Bezug genommen hat, hat hierzu ausgeführt, der Vortrag der Beklagten zu 1, sie habe die streitgegenständlichen Lizenzprodukte von einer Firma D. , einem autorisierten Microsoft-Partner mit Sitz in Polen, erworben, die die Lizenz ihrerseits von der Klägerin erworben habe, und die zum Beweis dieser Behauptung vorgelegte Rechnung der Firma D. vom 10. September 2014 seien unzureichend. Zum einen beziehe sich die vorgelegte Rechnung nicht auf Lizenzen für das Computerprogramm „Microsoft Windows 7 Home Premium“, sondern nur auf Lizenzen für die Programme „Windows 8.1 Professional“ und „MS Windows 7 Professional“. Zum anderen weise die vorgelegte Rechnung als Verkaufsdatum und Datum der Fertigstellung der Lieferung jeweils den 10. September 2014 aus, also einen Zeitpunkt, der deutlich nach den Testkäufen des Zeugen S. vom 10. Mai 2014 und 18. Juli 2014 liege.“

 

Die vorgenannte Auffassung der Vorinstanzen bestätigte der BGH, wodurch noch einmal sehr deutlich wird, dass derjenige, der sich auf den Erschöpfungsgrundsatz berufen möchte, für die strengen Voraussetzungen die Darlegungs- und Beweislast obliegen. Dies gelang der Beklagten zu 1 hier nicht. 

 

Nach dem folgerichtigen Hinweis-Beschluss des BGH nahm die Beklagte zu 1 die Revision zurück, so dass die Entscheidung des OLG München rechtskräftig ist.

 

"BGH: Bereits Versand von Product Keys für Computerprogramme kann zur Verurteilung führen"

von Rechtsanwalt Jean Paul P. Bohne