Team Wallraff und die strafrechtlichen Grenzen des investigativen Journalismus

Das Oberlandesgericht Köln (OLG) hat sich in einem Beschluss vom 18.07.2019, Az. 15 W 21/19 – zur Strafbarkeit im Zuge verdeckter Recherchen angefertigter Bild- und Tonaufnahmen positioniert

 

Eine Journalistin hatte sich bei einer Psychiatrischen Klinik als Praktikantin eingeschleust, um für eine Fernsehsendung des „Team Wallraff“ über die Zustände in deutschen Psychiatrien zu recherchieren. Hierbei hat sie heimlich Bild- und Tonaufnahmen von Bewohnern der Klinik angefertigt.

 

Der Kläger, ein an Autismus leidender Patient der Klinik, nahm u.a. die Journalistin (im Folgenden Verfügungsbeklagte zu 1) nunmehr gerichtlich auf Unterlassung der Verbreitung in Anspruch. Nachdem die Beklagten mittels eidesstattlicher Versicherung die Löschung der Bild- und Tonaufnahmen glaubhaft gemacht haben, war nur noch darüber zu entscheiden, wer die Kosten des Rechtstreits zu tragen hat (§ 91 a ZPO). Dies hing davon ab, wie der Rechtsstreit ausgegangen wäre, wenn die Aufnahmen nicht gelöscht worden wären. Das Gericht hätte der Unterlassungsklage stattgegeben, da sowohl eine rechtswidrige Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers als auch eine Strafbarkeit nach §§ 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB (Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes), 201 a Abs. 1 Nr. 3 StGB (Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen) sowie § 203 Abs. 4 S. 1 StGB (Verletzung von Privatgeheimnissen) zu bejahen war.

 

Das Gericht führt hierzu wie folgt aus:

 

„Im Rahmen der Billigkeitsentscheidung spricht alles dafür, anzunehmen, dass die Verfügungsbeklagte zu 1) durch die Weitergabe des Rohmaterials an die weiteren Mitarbeiter der Verfügungsbeklagten zu 2) den Straftatbestand des § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB und des § 201a Abs. 1 Nr. 3 StGB ebenso verwirklicht hat wie - insofern durch Weitergabe der erhobenen Informationen zu dessen Behandlung und zu seinem Gesundheitszustand - zudem den Straftatbestand des § 203 Abs. 4 S. 1 StGB.

 

(…) Zu § 201 StGB gilt Folgendes:

 

((1)) Die - wie gezeigt nicht ausreichend bestrittenen - Tonaufnahmen (auch) vom Verfügungskläger in der geschlossenen Station betrafen das "nicht öffentlich gesprochene Wort eines anderen", welches von der Verfügungsbeklagten zu 1) auf einen Tonträger aufgenommen worden ist. Schutzgegenstand ist das nichtöffentlich, also an einen abgegrenzten Personenkreis gerichtete gesprochene Wort. Soweit die Verfügungsbeklagten u.a. wegen der öffentlichen Besuchszeiten und der sich jedenfalls nicht durchweg nur unfreiwillig in der Station aufhaltenden Patienten eine Nichtöffentlichkeit des dort gesprochenen Worts unter dem Gesichtspunkt der sog. "faktischen Öffentlichkeit" diskutiert haben (zu solchen Fällen Fischer, StGB, 66. Aufl. 2019, § 201 Rn. 4; Sch/SchEisele, StGB, 30. Aufl. 2019, § 201 Rn. 9; MüKo-StGB/Graf, 3. Aufl. 2017, § 201 Rn. 18) bezweifelt haben, trägt das hier nicht, vor allem, weil Vortrag zu den konkreten Aufnahmesituationen - der im Zuge der sekundären Darlegungslast aber geboten gewesen wäre - fehlt und die Verfügungsbeklagte zu 2) nach ihren Angaben im Termin den Verfügungskläger vor allem bei Besuchen auf seinem Zimmer gefilmt hat, wo erst recht keine "faktische Öffentlichkeit" bestanden hat.

 

((2)) Das "Gebrauchen" der "so hergestellten Aufnahme" ist schon das einfache Vorspielen vor einem Dritten; das - oft nicht abgrenzbare (zu den Details Sch/Sch/Eisele, StGB, 30. Aufl. 2019, § 201 Rn. 17 m.w.N.) - Zugänglichmachen das Überlassen der Aufnahme an einen Dritten (Fischer, StGB, 66. Aufl. 2019, § 201 Rn. 6). Soweit die Verfügungsbeklagten meinen, dass eine Zusammenarbeit von Journalisten im redaktionellen Bereich generell dazu führen muss, dass man nicht mehr von einem "Dritten" i.S.d. § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB sprechen könne, überzeugt das den Senat nicht. Eine verfassungskonforme Einschränkung der Strafnorm in dem Sinne, dass wegen Art. 5 Abs. 1 GG die Presse im Recherchestadium generell und umfassend zu schützen sei, wäre überschießend, zumal - wie sogleich auszuführen ist - eine Rechtfertigung durchaus einzelfallgerecht auf Ebene der "Unbefugtheit" möglich bleibt. Es ist verfassungsrechtlich auch nicht geboten, jedwede Eigenrecherchen der Presse über einen absoluten Vorrang der Pressefreiheit zu schützen (vgl. BVerfG v. 10.10.1987 - 2 BvR 1434/86, NJW 1989, 329 zur Beschlagnahme). Für eine solche Sichtweise streitet auch, dass selbst bei § 203 StGB eine Weitergabe an andere Berufsgeheimnisträger trotz der auch bei diesen bestehenden Schweigepflicht strafbar ist (statt aller Sch/Sch/Eisele, StGB, 30. Aufl. 2019, § 203 Rn. 22 m.w.N.); hier kann schwerlich anderes gelten.“

 

Da die Aufnahmen wie gezeigt nicht öffentlich gemacht wurden, so dass davon nicht Gebrauch i.S.d. § 201 StGB gemacht worden ist, stellte sich die Frage, ob Redaktionskollegen der verklagten Journalisten als „Dritte“ i.S.d. Vorschrift gelten. Dies hat das OLG Köln bejaht. Korrekturen könnten bei der Frage, ob die Aufnahme „unbefugt“ erstellt worden sind, gemacht werden.

 

Zur fehlenden Befugnis führt das Gericht wie folgt aus:

 

 „(…)  Der Senat geht im Rahmen der Billigkeitsentscheidung davon aus, dass die Verfügungsbeklagte zu 1) auch "unbefugt" handelte. Das Merkmal verweist jedenfalls außerhalb einer Einwilligung des Betroffenen anerkanntermaßen nur auf die allgemeinen Rechtfertigungsmöglichkeiten (Sch/Sch/Eisele, StGB, 30. Aufl. 2019, § 201 Rn. 29 ff.; Fischer, StGB, 66. Aufl. 2019, § 201 Rn. 9 ff.). Soweit auf S. 6 des Schriftsatzes vom 26.06.2019 (Bl. 346 d.A.) und auf S. 3 des Schriftsatzes vom 03.07.2019 (Bl. 422 d.A.) über eine mögliche Einwilligung des Verfügungsklägers oder auch eine Genehmigung durch diesen spekuliert wird, ist das fernliegend und es fehlt jedenfalls eine Glaubhaftmachung durch die Verfügungsbeklagten. Die nach allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen für das Eingreifen von Rechtfertigungsgründen darlegungs- und beweisbelasteten Verfügungsbeklagten haben aber im Übrigen nach Ansicht des Senats jedenfalls ausreichenden Sachvortrag nebst Glaubhaftmachungsmitteln vermissen lassen."

 

Das Gericht sah also auch keine Rechtfertigungsgründe für das Erstellen der Aufnahmen. Es verneint die Anwendbarkeit des § 201 Absatz 2 S. 3 StGB und führt hierzu weiter aus:

 

"(…) Die Existenz der eng gefassten Sonderregelung zeigt systematisch, dass es daneben keinen allgemeinen (ungeschriebenen) Rechtfertigungsgrund für die eigene Informationsbeschaffung durch Presse und Rundfunk geben soll, so dass diese allein auf die allgemeinen Rechtfertigungsmöglichkeiten aus § 34 StGB mit ihren engen Grenzen zu verweisen wäre.“ 

 

Auch § 34 StGB, also den rechtfertigenden Notstand, sieht das Gericht hier nicht als anwendbar an.

 

Sodann führt es zur Strafbarkeit nach § 201 a Absatz 1 Nr. 2 StGB ((Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen) aus:

 

 „Es spricht (…) alles für die Annahme, dass die Verfügungsbeklagte zu 1) auch den Straftatbestand des § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB verwirklicht hat.

 

((1)) Sie hat vom Verfügungskläger als "andere Person", die sich "in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum" befand, eine Identifizierbarkeit für Dritte ermöglichende (vgl. zum Streitstand insofern BGH v. 26.02.2015 ? 4 StR 328/14, NStZ 2015, 391) Bildaufnahmen hergestellt und diese gebraucht bzw. einer dritten Person zugänglich gemacht hat, da auch dafür die reine Zugriffsermöglichung genügt (vgl. Fischer, StGB, 66. Aufl. 2019, § 201a Rn. 16). Der Begriff der "Wohnung" entspricht dem des § 123 StGB (Fischer, StGB, 66. Aufl. 2019, § 201a Rn. 7) und der "gegen Einblick besonders geschützte Raum" verlangt eine Abschirmung zum Schutz des höchstpersönlichen Lebensbereichs, den man bei summarischer Prüfung bei einer geschlossenen psychiatrischen Station annehmen kann. Soweit etwa bei Mehrfamilienhäusern von den Wohnungen getrennte Hausflure und Treppenhäuser im Zweifel als "faktisch öffentliche" Räume auszuklammern sind (Fischer, StGB, 66. Aufl. 2019, § 201a Rn. 7; von Strobl-Albeg, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Aufl. 2018, Kap. 7 Rn. 57 m.w.N.), ist das so nicht auf die Wege/Gemeinflächen einer psychiatrischen Station übertragbar, zumal die Patientinnen und Patienten gerade auch dort schutzwürdig sind und bleiben (so wohl auch LG Leipzig v. 15.03.2019 - 8 O 503/19 (AH I) im Parallelfall; für Krankenzimmer bei Mehrbettzimmern auch etwa Sch/Sch/Eisele, StGB, 30. Aufl. 2019, § 201a Rn. 9). Unschädlich ist auch, dass sich die Verfügungsbeklagte zu 1) damals als Täterin im gleichen Bereich wie der Verfügungskläger aufgehalten hat und deswegen keine Schutzmechanismen überwinden musste (BGH v. 22.06.2016 - 5 StR 198/16, NStZ-RR 2016, 279). Soweit die Verfügungsbeklagten auch hier mit einer "faktischen Öffentlichkeit" argumentiert haben, kann letztlich auf das oben bereits zu § 201 StGB Gesagte verwiesen werden. Selbst wenn der Verfügungskläger hier untergebracht worden sein sollte, entfällt der Schutz nicht (für Haftraum als Wohnung MüKo-StGB/Graf, 3. Aufl. 2017, § 201a Rn. 34; von Strobl-Albeg, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Aufl. 2018, Kap. 7 Rn. 57). (…)

 

Die Verfügungsbeklagte zu 1) handelte auch "unbefugt", was jedenfalls außerhalb des Bereichs einer Einwilligung auch hier nur auf die allgemeinen Rechtfertigungsgründe verweist (statt aller MüKo-StGB/Graf, 3. Aufl. 2017, § 201a Rn. 79 ff. m.w.N.). Auch hier fehlt entsprechend dem oben Gesagten ausreichender Sachvortrag der Verfügungsbeklagten. (…)“

 

Schließlich bejaht das Gericht sogar die Strafbarkeit des § 203 Abs. 4 StGB (Verletzung von Privatgeheimnissen). Hierzu führt es aus:

 

„Die Verfügungsbeklagte zu 1) war taugliche Täterin des Sonderdelikts. Zwar ist sie selbst keine Berufsträgerin i.S.d. § 203 Abs. 1 oder 2 StGB, aber als mitwirkende Person i.S.d. § 201 Abs. 4 S. 1, Abs. 3 S. 1 StGB erfasst. Soweit die Verfügungsbeklagten meinen, es würde sich bei ihr um keine "berufsmäßig tätige Gehilfin" handeln, weil es sich nur um ein (angeblich) berufsorientierendes Praktikum gehandelt habe, so dass keine "zur Vorbereitung auf den Beruf tätige Person" i.S.d. § 203 Abs. 3 S. 1 StGB betroffen sei, verkennen sie, dass die beiden Personengruppen in Abs. 3 nebeneinander angeführt werden und Abs. 4 nur allgemein auf "mitwirkende Personen" abstellt. Von dem Begriff des "berufsmäßig tätigen Gehilfen" können daher ohne weiteres auch Praktikanten erfasst sein, die sich zwar nicht in einer Ausbildung befinden, aber eine irgendwie geartete, die Tätigkeit des Berufsgeheimnisträgers unterstützende Tätigkeit verrichten (so deutlich BT-Drs. 18/11936, S. 21 f.; ebenso Sch/Sch/Eisele, StGB, 30. Aufl. 2019, § 203 Rn. 25). Auch die Unentgeltlichkeit des Praktikums war kein Hinderungsgrund: Zwar gibt es einen Streit um die Behandlung rein ehrenamtlicher Tätigkeiten (dazu MüKo-StGB/Cierniak/Niehaus, 3. Aufl. 2017, § 203 Rn. 123), doch ist dies nicht auf Fälle wie den vorliegenden übertragbar und es genügt daher für die Tätereigenschaft auch ein allgemeines "Berufsfindungspraktikum" (MüKo-StGB/Cierniak/Niehaus, 3. Aufl. 2017, § 203 Rn. 135; NK-StGB/Kargl, 5. Aufl. 2017, § 203 Rn. 39). Dass die Verfügungsbeklagte zu 1) tatsächlich kein Praktikum absolvieren wollte und sich nur "eingeschleust" hat, ändert ebenfalls nichts an der Tätereigenschaft. Es wird allgemein etwa auch ein Offenbaren von solchen Geheimnissen erfasst, deren Kenntnisnahme der mitwirkenden Person nach dem Vertragsverhältnis mit dem Schweigepflichtigen untersagt war, während im Gegenzug nur ein eigenmächtiges Verschaffen durch einen Berufsträger selbst u.U. nicht zur Strafbarkeit führen würden, weil der Geheimnisschutz dann schon nicht entstehen kann (Sch/Sch/Eisele, StGB, 30. Aufl. 2019, § 203 Rn. 98). Im Übrigen wird auch selbst beim Berufsträger ein "Hochstapler" erfasst (so deutlich MüKo-StGB/Cierniak/Niehaus, 3. Aufl. 2017, § 203 Rn. 31); bei den mitwirkenden Personen gilt nichts anderes.

 

(…) Es lagen auch "Geheimnisse" i.S.d. § 203 Abs. 1 StGB - nämlich den persönlichen Lebensbereich des Verfügungsklägers betreffende geheime Tatsachen - vor. Geheimnisse sind Tatsachen, die nur einem beschränkten Personenkreis bekannt sind und an deren Geheimhaltung derjenige, den sie betreffen (sog. Geheimnisträger), ein von seinem Standpunkt aus sachlich begründetes Interesse hat oder bei eigener Kenntnis der Tatsache haben würde (OLG Köln v. 04.07.2000 - Ss 254/00, NJW 2000, 3656). Das kann man gerade für die hier letztlich betroffenen Gesundheits- und Behandlungsdetails - wie allgemein (vgl. nur MüKo-StGB/Cierniak/Niehaus, 3. Aufl. 2017, § 203 Rn.14, 23 m.w.N.) - unterstellen. Soweit der Geheimnisschutz bei einer Unrichtigkeit der weitergegebenen Informationen anerkanntermaßen nach dem Schutzzweck der Norm nicht eingreift (MüKo-StGB/Cierniak/Niehaus, 3. Aufl. 2017, § 203 Rn. 15), hat der Verfügungskläger eine solche Unrichtigkeit nur einmal am Rande und eher bezogen auf die Art und Weise der an die Klinik übermittelten Fragestellung thematisiert. Ansonsten ist im Kern unstreitig, dass die übermittelten und der außergerichtlichen Fragestellung zugrundeliegenden Informationen zutreffend waren. Wenn die Verfügungsbeklagten etwa auf S. 9 des Schriftsatzes vom 05.06.2019mit einer angeblichen "Offenkundigkeit" der Umstände argumentieren (Bl. 203 d.A), lässt eine solche zwar in der Tat den Schutz des § 203 StGB entfallen (statt aller Fischer, StGB, 66. Aufl. 2019, § 203 Rn. 8, 15; Sch/Sch/Eisele, StGB, 30. Aufl. 2019, § 203 Rn. 6 m.w.N.). Indes handelte es sich hier nicht um Tatsachen und Daten, die jedem Verständigen bekannt oder leicht feststellbar sind (z.B. Registerdaten). Zwar ging es um einen möglicherweise augenscheinlich schlechten Gesundheits- und Gemütszustand, doch geht es vorliegend jedenfalls um die Erkennbarkeit nur auf einer geschlossenen Station und zudem auch darum, dass die Hintergründe für die möglicherweise augenscheinlichen Probleme wie etwa die Einzelheiten der Medikation nicht offen zu Tage getreten sind. Die Ausführungen der Verfügungsbeklagten auf S. 6 f. des Schriftsatzes vom 03.07.2019 (Bl. 425 f. d.A.) rechtfertigen keine andere Sichtweise. Der Verfügungskläger hatte an der Geheimhaltung bei Berücksichtigung seiner persönlichen Situation auch ein "verständliches" Interesse, denn das Merkmal hat nur die Funktion einer negativen Abgrenzung gegenüber Willkür und Launenhaftigkeit und stellt keine hohen Anforderungen. Ein solches Interesse ist in aller Regel nicht nur bezüglich der Einzelheiten gesundheitlicher Verhältnisse anzunehmen, sondern es kann schon für die bloße Tatsache, dass sich jemand überhaupt in ärztlicher Behandlung befindet ebenso anzunehmen sein wie für Begleitumstände einer Krankenhausaufnahme (vgl. nur Sch/Sch/Eisele, StGB, 30. Aufl. 2019, § 203 Rn. 7 m.w.N.). Warum hier konkret anderes gelten sollte, ist dem Senat nicht ersichtlich. Allein die Tatsache, dass eine Verarbeitung jedenfalls zunächst nur innerhalb des redaktionellen Kreisen erfolgt ist, ändert - entgegen S. 10 des Schriftsatzes vom 05.06.2019, Bl. 204 d.A. - nichts, zumal jedenfalls im Zeitpunkt der Antragsstellung auch gerade nicht gesichert war, dass die erhobenen Daten nicht auch andere Personen erfahren würden.

 

(…) Das Geheimnis ist der Verfügungsbeklagten zu 1) auch im innerem Zusammenhang mit der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit unter Umständen mitgeteilt worden, aus denen sich die Anforderung des Geheimhaltens ergibt (zu diesem Merkmal Sch/Sch/Eisele, StGB, 30. Aufl. 2019, § 203 Rn. 13 m.w.N.) bzw. sie hat in innerem Zusammenhang mit der Berufsausübung und der - sofern man das verlangt - der daraus folgenden Sonderbeziehung davon erfahren. Selbst wenn - was zuletzt streitig geworden ist - der Verfügungskläger gerichtlich untergebracht war, entsteht eine Sonderbeziehung auch bei einer "Unfreiwilligkeit" des Kontakts (für Truppenarzt, Sachverständige etc. etwa auch Eisele, a.a.O.). Im Übrigen genügt ohnehin, wenn gerade die Berufsausübung - wie hier - die Möglichkeit ungehinderter Kenntnisnahme verschafft hat.

(…)) Die Verfügungsbeklagte zu 1) hat das Geheimnis durch die Weitergabe der inhaltlichen Informationen über den Verfügungskläger - die mangels erheblichem Bestreiten auf den Hinweis in der Ladungsverfügung hier zusammen mit dem Bild- und Tonmaterial erfolgt sein muss und diesen daher in der Summe auch hinreichend individualisierbar machte, so dass die Bedenken des Landgerichts in der angegriffenen Entscheidung nicht mehr durchgreifen - offenbart (vgl. auch LG Leipzig v. 15.03.2019 - 8 O 503/19 (AH I) in einem Parallelfall). Denn ein "Offenbaren" ist schon das reine Mitteilen des Geheimnisses an einen Dritten in der Form, dass die Person des Berechtigten zumindest identifizierbar ist, weswegen allein streng anonymisierte Mitteilungen nicht ausreichen (Fischer, StGB, 66. Aufl. 2019, § 203 Rn. 33). Eine pauschale Einschränkung des Begriffs des "Dritten" ist auch hier nicht mit Blick auf Art. 5 Abs. 1 GG geboten.

 

(…) Die Verfügungsbeklagte zu 1) handelte auch unbefugt. Das Merkmal meint außerhalb des Bereichs eines Einverständnisses auch hier nur einen Verweis auf die allgemeinen Rechtfertigungsgründe (Fischer, StGB, 66. Aufl. 2019, § 203 Rn. 61 ff.). Ungeachtet des oben zu §§ 201, 201a StGB Gesagten erkennt die herrschende Meinung hier zwar ohnehin - neben dem als zu eng empfundenen § 34 StGB - weitgehend eine (ungeschriebene) Möglichkeit an, dass sich die Befugnis zur Offenbarung fremder Geheimnisse i.S. des § 203 StGB aus den allgemeinen Grundsätzen über die Abwägung widerstreitender Pflichten oder Interessen (analog § 193 StGB) ergeben kann (OLG Köln v. 04.07.2000 - Ss 254/00, NJW 2000, 3656, 3657; siehe auch BGH v. 08.10.1968 - VI ZR 168/67, NJW 1968, 2288, 2290; v. 09.10.1951 - 1 StR 159/51, NJW 1952, 151). Systematisch und methodisch ist das indes auch hier nicht unangegriffen (nur für Anwendung nur des § 34 StGB Sch/Sch/Eisele, StGB, 30. Aufl. 2019, § 203 Rn. 56; Fischer, StGB, 66. Aufl. 2019, § 203 Rn. 86; MüKo-StGB/Cierniak/Niehaus, 3. Aufl. 2017, § 203 Rn. 87; Bohnert, NStZ 2004, 301, 304 f. m.w.N.); erscheint mit Blick auf das oben Gesagte für journalistische Recherchemaßnahmen aber im Zweifel auch sachgerecht. Im Rahmen des § 91a ZPO bedarf es aber auch hier keiner endgültigen Klärung, denn wie ausgeführt, fehlt es an ausreichendem Sachvortrag für eine Entlastung."

 

Das OLG Köln hat somit in einer beeindruckenden Entscheidung dem grundsätzlich zulässigen investigativen Journalismus die (strafrechtlichen) Grenzen aufgezeigt. Insbesondere bei der Prüfung eines Rechtfertigungsgrundes schrieb das Gericht den betroffenen Journalisten besondere Prüfungspflichten ins Aufgabenbuch.

 

"Team Wallraff und die strafrechtlichen Grenzen des investigativen Journalismus"

von Rechtsanwalt Markus Schultz