Der Europäische Gerichtshof (EuGH) wird sich mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) zur Haftung beim Filesharing zu beschäftigen haben.
Zuletzt hatte der BGH in seiner Entscheidung BGH I ZR 154/15 "Afterlife" geurteilt, dass ein Anschlussinhaber nicht ohne Weiteres für Urheberrechtsverletzungen, die über seinen Anschluss erfolgten, für Schadensersatzansprüche und als Täter hafte, wenn dieser darlegen kann, dass auch andere Familienmitglieder - im konreten Fall seine Ehefrau - Zugang zu dem Anschluss haben. Der in Anspruch genommene Anschlussinhaber genügte damit seiner Darlegungslast, so dass er im konkreten Fall nicht als Täter einer Urheberrechtsverletzung auf Schadensersatz haftete. Der BGH begründete dies vor allem mit dem grundgesetzlichen und nach EU-Grundrechtscharta gewährten Schutz von Ehe und Familie. Wörtlich führte der BGH aus:
"Es ist dem Inhaber eines privaten Internetanschlusses nicht zumutbar, die Internetnutzung seines Ehegatten einer Dokumentation zu unterwerfen, um im gerichtlichen Verfahren seine täterschaftliche Haftung abwenden zu können."
Das Landgericht München I sieht in dieser Rechtsprechung des BGH möglicherweise einen Konflikt mit geltendem EU-Recht. Konkret hat das LG München I ein sogenanntes Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gerichtet und die Frage aufgeworfen:
"Ob eine solche Handhabung des urheberrechtlichen Anspruchs auf Schadensersatz eine wirksame und abschreckende Sanktion bei Urheberrechtsverletzungen im Wege des Filesharing darstellt, wie sie das europäische Recht von den Mitgliedstaaten fordert (Richtlinie 2001/29/EG und 2004/48/EG)."
Dies folgt aus einer aktuellen Pressemeldung des LG München I.
Das Verfahren vor dem LG München I ähnelt deshalb dem des durch den BGH entschiedenen "Afterlife"-Falles, da auch im vorliegenden Fall ein Zugang von Familienmitgliedern - hier der Eltern des Anschlussinhabers - zum Anschluss des Anschlussinhabers durch diesen vorgetragen wurde. Das LG München I sieht in der Rechtsprechung des BGH dahingehend eine "Unsicherheit", dass auch ein mögliches Verfahren gegen die Eltern des Anschlussinhabers nicht aussichtsreich wäre. Vielmehr könnten sich sämtliche Familienmitglieder mit ähnlicher Argumentation aus der Affäre ziehen, was im Ergebnis dazu führen könne, dass Rechteinhaber und -verwerter tatsächlich nicht mehr in der Lage seien, erfolgte Urheberrechtsverstöße im Filesharing effektiv zu verfolgen, mithin die zitierte wirksame und abschreckende Sanktion nicht mehr gewährleistet wäre.
Wir halten die Rechtsprechung des BGH für richtig und zutreffend und schließlich auch für vereinbar mit EU-Recht. Die vorliegenden Sachverhalte betreffen nach unserer Ansicht lediglich Darlegungs- und Beweisfragen, nicht die generelle und tatsächliche Möglicheit, Urheberrechtsansprüche durchzusetzen. Dass dies im Ergebnis häufig dazu führt, dass Rechteinhaber/-verwerter den Nachweis einer Haftung des Anschlussinhabers in der prozessualen Praxis nicht erbringen können, hat nichts damit zu tun, dass sie grundsätzlich die Möglichkeit haben, insbesondere auch im Rahmen der sog. Störerhaftung gegen Störer vorzugehen oder eben einen urheberrechtlichen Anspruch auf Schadensersatz gegen den Täter geltend zu machen. Im Hinblick auf die Täterhaftung auf Schadensersatz gilt nach der - insoweit strengen - Rechtsprechung des BGH sogar zu Gunsten der Rechteinhaber eine tatsächliche Vermutung der Täterschaft eines Anschlussinhabers, so dass diesem im Zivilprozess eine sekundäre Darlegungslast trifft.
Die nach EU-Recht geforderte wirksame und abschreckende Sanktion von Urheberrechtsvertößen besteht.
Rechtsanwalt Andreas Buchholz