Keine Rechtsgrundlage für Massenüberwachung von Flugdaten

Das hat die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Wiesbaden mit Urteil vom 6.12.2022 entschieden. Der Entscheidung war die Vorlage der Frage zur Vereinbarkeit der Verfahren nach dem Fluggastdatengesetz (FlugDaG), das auf der Fluggastdaten-Richtlinie beruht, mit höherrangigem EU-Recht, insbesondere der EU-Grundrechtscharta, vorangegangen. Der europäische Gerichtshof (EuGH) hatte mit Urteil vom 21.06.2022 (C-81/19) die Praxis der verdachtsunabhängigen Speicherung von Daten bereits im Juni eingeschränkt und entschieden, dass die Speicherung von Fluggastdaten auf das notwendigste beschränkt werden müsse.

 

Das Verwaltungsgericht hat sich mit der Sache zu beschäftigen, da zwei Fluggäste die Feststellung begehrten, dass die Verarbeitung ihrer Fluggastdaten rechtswidrig war. Die Kläger waren innereuropäisch bzw. von EU-Staaten aus in Drittstaaten und zurück geflogen. Dabei sind ihre Daten vom BKA ausgewertet worden, ohne Ergebnis.

 

Seit 2017 das FlugDaG, mit dem Ziel den Terrorismus zu bekämpfen, beschlossen wurde, wurde jeder der mit dem Flugzeug das Land verlässt von den Polizeibehörden durchleuchtet. Konkret hieß das bis zu dem nun ergangenen Urteil, dass Reiseanbieter oder Fluggesellschaften sämtliche die Reise betreffenden Daten an das Bundeskriminalamt (BKA)  weiterleiten mussten. Dies umfasste die gesamte Reiseroute, Anschrift, Telefonnummer und sogar den Sitzplatz der Reisenden. Die Daten wurden dann vom BKA mit polizeilichen Datenbanken wie etwa Fahndungslisten abgeglichen.

 

Für diese Vorgehensweise fehlte es dem BKA in Deutschland an einer grundrechtskonformen Rechtsgrundlage. Das Gericht gab den Anträgen auf Feststellung der beiden Kläger statt und verwies dabei auch auf die Entscheidung des EuGH. So gilt für innereuropäische Flüge, dass die Daten von Fluggästen nur dann vom BKA verarbeitet werden dürfen, soweit es tatsächlich Anhaltspunkte für terroristische Bedrohungen gebe. Die verdachtsunabhängige Verbreitung, wie sie das deutsche FlugDaG vorsieht, sei daher grundsätzlich unzulässig. Auch im Einzelfall konnten solche Anhaltspunkte nicht nachgewiesen werden.

 

Zum selben Ergebnis kommt das Gericht auch hinsichtlich des Fluges in einen Drittstaat. So rechtfertige die Bekämpfung gewöhnlicher Kriminalität keine ansatzlose und verdachtsunabhängige Verarbeitung von Personendaten. Die Aufgabe die sich für die Mitgliedsstaaten im Wesentlichen aus der Richtlinie ergibt ist die Bekämpfung schwerer Kriminalität und Terrorismus. Um die Verhältnismäßigkeit zwischen den Rechten der Passagiere und der Kriminalitätsbekämpfung zu wahren, bedürfe es der konkreten Benennung der entsprechenden Straftaten, etwa in Form eines Strafenkataloges. Einen solchen sucht man im deutschen FlugDaG vergeblich.

 

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts stärkt die Rechte der Bürger. Der EuGH bleibt seiner Linie treu und zieht wie schon bei der Vorratsdatenspeicherung klare Grenzen beim Thema Überwachung und Speicherung von Daten durch den Staat. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Sollte es bestandskräftig werden, so erwartet die Regierung die nächste herausfordernde Gesetzesänderung.

 

"Keine Rechtsgrundlage für Massenüberwachung von Flugdaten"

von Cornelius Borski, wissenschaftlicher Mitarbeiter