Geschäftsmodelle Legal-Tech durch BGH gestärkt

In dem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 30.03.2022, Az. VIII ZR 256/21 setzte sich der VIII. Zivilsenat mit einem Geschäftsmodell aus Legal-Tech auseinander und übte Kritik an dem Landgericht (LG) Berlin.

 

Kläger ist das Unternehmen „Conny“, welches zuvor unter Lexfox firmierte und unter der Domain wenigermiete.de bekannt wurde. Das Geschäftsmodell von Conny ist relativ einfach. Conny ist eine GmbH mit Inkassobefugnis nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG). Mieter treten ihre Ansprüche gegen ihre jeweiligen Vermieter an Conny ab. Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass in Berlin eine Mietpreisbremse herrscht. Das eine oder andere Mal berechnen Vermieter aber eine höhere Miete als ihnen zustünde. Für diesen Fall bietet Conny eine einfache Lösung an: zunächst wird der zulässige Höchstbetrag der Miete errechnet, dann wird gegenüber dem Vermieter die Rückzahlung der zu viel gezahlte Miete geltend gemacht und schließlich wird der Vermieter aufgefordert sich künftig an die zulässigen Höchstbeträge zu halten. Conny erhält dabei einen Anteil des erstrittenen Betrags sowie die Erstattung gesetzlicher Kosten. Den Rest zahlt Conny an dem Mieter aus.

 

Seit „Lexfox I“ im November 2019 beschäftigte sich der BGH immer wieder mit der Zulässigkeit dieses Geschäftsmodells. Das LG Berlin sieht hierin einen Verstoß gegen das RDG und eine Umgehung des anwaltlichen Berufs- und Gebührenrechts. Ungewöhnlich hart ist die Wortwahl des VIII. Senats in seiner letzten Entscheidung. Mit Formulierungen wie „rechtsfehlerhaft“, „bereits im Ansatz verfehlt“ oder „das Berufungsgericht hat (erneut) verkannt“ wird das LG Berlin unmissverständlich in seine Schranken gewiesen.

 

Konkret ging es bei dem Streit über die Zulässigkeit des Geschäftsmodells um die Frage, ob die Verhinderung der Entstehung zukünftiger Kosten noch Inkasso ist. Eine reine Geltendmachung von bereits bestehenden Geldforderungen ist unumstritten Inkasso und von der Erlaubnis gedeckt. Durch Conny werden allerdings auch Auskunftsansprüche geltend gemacht. Der Rückzahlungsanspruch wird zudem erst durch ein Schreiben von Conny ausgelöst und die Kosten werden auch an dem Wert der Aufforderung, sich in Zukunft an den zulässigen Höchstbetrag zu halten, berechnet.

 

Das LG Berlin sah hierin einen klaren Verstoß gegen das RDG, denn das Unternehmen bringe Forderungen erst zum Entstehen oder verhindere das Entstehen zukünftiger Forderungen. Anders sieht das der BGH. Das Vorgehen des Unternehmens sei noch von der RDG-Befugnis gedeckt. Der Senat argumentiert, dass die Auslösung eines Anspruchs in engem Zusammenhang mit dessen Einforderung stehe. Die Rückforderung der zu viel gezahlten Miete und das Begehren künftig nur den zulässigen Höchstbetrag zu zahlen bilden eine Einheit, welche sinnvollerweise nicht aufgetrennt werden soll.

 

Es lässt  sich festhalten, dass diese Entscheidung alle Legal-Tech-Anbieter erfreuen dürfte. Der BGH hat mit dem Urteil viele Fragen der Auslegung des Inkassobegriffs geklärt, was für die Legal-Tech-Praxis von enormer Bedeutung ist. Die Unternehmen tasten sich langsam vor und testen, welches Verhalten der BGH als noch zulässig erachtet. 

 

"Geschäftsmodelle Legal-Tech durch BGH gestärkt" von Laura Bindrich, wissenschaftliche Mitarbeiterin