Hass im Internet: Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität

Die Bundesregierung hat am 14.04.2020 dem Bundestagspräsidenten den am 19.02.2020 beschlossenen Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität im Internet vorgelegt.

 

Hierdurch soll die immer weiter zunehmende Kriminalität insbesondere in sozialen Netzwerken eingedämmt werden. Zu Anfang beschreibt der Entwurf die Problematik wie folgt:

 

„Im Internet und insbesondere in den sogenannten sozialen Medien ist eine zunehmende Verrohung der Kommunikation zu beobachten. So äußern sich Personen immer öfter allgemein, vor allem aber gegenüber gesellschaftlich und politisch engagierten Personen in einer Weise, die gegen das geltende deutsche Strafrecht verstößt und sich durch stark aggressives Auftreten, Einschüchterung und Androhung von Straftaten auszeichnet. Dadurch wird nicht nur das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen, sondern auch der politische Diskurs in der demokratischen und pluralistischen Gesellschaftsordnung angegriffen und in Frage gestellt.“

 

 

Zentrale Neuerung soll die Verschärfung des sog. Netzdurchsetzungsgesetzes für soziale Netzwerke sein. So sollen Plattformen wie Facebook, Instagram oder Twitter verpflichtet werden, dem Bundeskriminalamt als zentraler Sammelstelle strafbare Inhalte zu melden, auf die die Plattformbetreiber durch eine Beschwerde hin aufmerksam geworden und die diese daraufhin gelöscht oder gesperrt haben.

 

Des Weiteren sieht der Entwurf teils weitreichende Änderung des Strafgesetzbuchs vor: So werden dort die Tatbestände der „Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten“ (§ 126 StGB), der „Belohnung und Billigung von Straftaten“ (§ 140 StGB) und der „Bedrohung“ (§ 241 StGB) erweitert. Die letzte angestrebte Änderung ist durchaus interessant. So soll in Zukunft auch die Drohung mit Körperverletzungen strafbar sein. Bisher war dies nur im Falle der Bedrohung mit Verbrechen wie z.B. Mord oder Totschlag der Fall.

 

Öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften getätigte Beleidigungen (§ 185 StGB) unterliegen künftig einer höheren Strafandrohung. Ferner wird klargestellt, dass der besondere Schutz von im politischen Leben des Volkes stehenden Personen vor übler Nachrede und Verleumdung (§ 188 StGB) bis hin zur kommunalen Ebene reicht.

 

Insbesondere die Verschärfung des § 185 StGB (Beleidigung) dürfte gerade in Verbindung mit der oben beschriebenen Verschärfung des Netzdurchsetzungsgesetzes Wirkung erzeugen. Die Staatsanwaltschaften rechnen in den nächsten Jahren mit einer Zunahme entsprechender Ermittlungsverfahren im sechsstelligen Bereich. So heißt es in dem Entwurf:

 

„Während das BMJV davon ausgeht, dass zur Durchführung der 150.000 Strafverfahren bundesweit zusätzlich 180 Staatsanwälte, 75 Strafrichter sowie 10 Leitungspersonen erforderlich sein werden, rechnet der DRB insoweit mit einem Personalbedarf von bis zu 450 Personen.“

 

Liest man die Stellungnahme des Bundesrats zu dem Entwurf, heißt es dort zur Anzahl der zu erwartenden Verfahren:

 

„(…) Hierzu hat Facebook selbst gemeldet, allein im ersten Quartal 2019 mehr als 160 000 Inhalte entfernt zu haben, die nach Ansicht des Unternehmens die Kriterien von Hassrede erfüllten. Jährlich handelte es sich hochgerechnet um etwa 640 000 Inhalte. (…)“

 

Zu kritisieren ist hierbei allerdings, dass die Verschärfung des Strafmaßes der Beleidigung nach § 185 StGB nicht von einer nach diesseitigem Dafürhalten zwingenden Änderung des § 374 Absatz 1 Nr. 2 StPO flankiert werden soll. Denn nach geltendem Recht ist die Beleidigung ein sog. Privatklagedelikt. Hierauf verweisen die Staatsanwaltschaften in den meisten Fällen. Das bedeutet, dass der Geschädigte oder die Geschädigte selbst bei Gericht die Einleitung eines Verfahrens gegen den Schädiger beantragen muss. Dies ist an hohe rechtliche und auch finanzielle Hürden gebunden, so dass deshalb faktisch eine erhebliche Zahl an Beleidigungen nicht strafrechtlich verfolgt wird. Hieran wird wohl auch der vorliegende Entwurf nichts ändern. 

 

Nur unter besonderen Voraussetzungen ist die Staatsanwaltschaft selbst zur Bejahung des öffentlichen Interesses und damit zur eigenen Durchführung des Strafverfahrens verpflichtet. Nr. 86 der RiStBV (Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren) sagt in seinem Absatz 2 hierzu Folgendes:

 

„Ein öffentliches Interesse wird in der Regel vorliegen, wenn der Rechtsfrieden über den Lebenskreis des Verletzten* hinaus gestört und die Strafverfolgung ein gegenwärtiges Anliegen der Allgemeinheit ist, z.B. wegen des Ausmaßes der Rechtsverletzung, (…) oder der Stellung des Verletzten im öffentlichen Leben. (…)“

 

Schließlich stellt der Entwurf klar: Personen, die im ärztlichen Notdienst oder in einer Notaufnahme Hilfe leisten, werden künftig wie andere bereits erfasste Hilfeleistende besonders vor Drohungen und Gewalthandlungen geschützt (§ 115 Absatz 3 StGB). Zudem soll der Katalog der Strafzumessungsgründe (§ 46 Absatz 2 Satz 2 StGB) ausdrücklich um „antisemitische“ Beweggründe ergänzt werden.

 

Eine effektive Strafverfolgung setzt außerdem voraus, dass die Tatverdächtigen identifiziert und Beweise gesichert werden können. Deshalb soll in der Strafprozessordnung klargestellt werden, dass die Erhebung von Nutzungs- und Bestandsdaten bei Telemediendiensten unter den gleichen Voraussetzungen wie bei Telekommunikationsdiensten möglich ist. Im Telemediengesetz wird umgekehrt festgelegt, dass Telemediendienste den gleichen Verpflichtungen zur Auskunft unterliegen wie Telekommunikationsdienste. Flankiert wird dies durch eine Änderung des Bundeskriminalamtgesetzes zur effektiven Wahrnehmung der Zentralstellenaufgabe durch das Bundeskriminalamt.

 

Wir werden das Gesetzgebungsverfahren weiter verfolgen und berichten.

 

"Hass im Internet: Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität"

von Rechtsanwalt Markus Schultz