Filesharing: Ausreichende Belehrung der Kinder und niemand will es gewesen sein – Klageabweisung

 

Das Landgericht (LG) Frankfurt am Main wies mit Beschluss vom 18.12.2018 zu dem Aktenzeichen 2-03 S 14/18 die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Amtsgerichts (AG) Frankfurt am Main (Urteil vom 27.06.2018 – 29 C 1229/17 (44)) zurück. Damit muss die abmahnende Klägerin die Kosten tragen. Die Revision wurde nicht zugelassen.

 

Die Parteien stritten in dem Rechtsstreit insbesondere über Ansprüche auf Zahlung von Schadensersatz und Abmahnkosten wegen einer vermeintlichen Urheberrechtsverletzung an einem Computerspiel durch sogenanntes Filesharing.

 

Die Entscheidung des AG fasste das LG in seinem Beschluss wie folgt zusammen:

 

Das Amtsgericht hat den Beklagten informatorisch gehört sowie eine Beweisaufnahme durchgeführt und hierbei die Ehefrau und die beiden Kinder des Beklagten vernommen. Nach Durchführung der Beweisaufnahme ist das Amtsgericht in seinem Urteil vom 27.06.2018 (Bl. 84 d.A.) davon ausgegangen, dass der Beklagte seiner sekundären Darlegungslast nachgekommen sei. Es hat ferner ausgeführt, dass es davon überzeugt sei, dass neben dem Beklagten weitere Personen, insbesondere der Sohn des Beklagten sowie dessen Freunde, die konkrete Möglichkeit zum Zugriff aufs Internet des Beklagten hatten. Der Sohn des Beklagten habe mehrfach Freunde zu LAN Partys eingeladen. Es sei zeitlich wegen der hessischen Osterferien 2013 durchaus möglich gewesen, dass der Sohn bzw. dessen Freunde die vermeintlichen Taten begangen haben könnten. Ferner habe der Beklagte die im Haushalt befindlichen Rechner untersucht und seine Familie zur Rede gestellt. Eine Täterschaft des Beklagten erscheine eher unwahrscheinlich.

 

Weiter hat das Amtsgericht festgestellt, dass der Beklagte seine Kinder darüber belehrt habe, dass man keine illegalen Downloads aus dem Internet vornehmen dürfe. Bevor man etwas herunterlade, müsse man um Erlaubnis fragen. Es gebe im Internet grundsätzlich nichts umsonst, was in der realen Welt etwas koste. Es könne allerdings nicht mehr nachvollzogen werden, ob der Beklagte die Kinder auch explizit über die Verwendung von Tauschbörsen belehrt habe. Daher scheide eine Haftung aufgrund der Verletzung von Aufsichtspflichten aus.

 

Die Kammer konkretisiert aufgrund des Rechtsstreits nunmehr in ihrem Beschluss die Rechtsprechung zur Belehrung von Kindern in Sachen Filesharing, zumindest nach ihrer Interpretation:

 

Das Amtsgericht ist auf dieser Grundlage jedoch zu Recht davon ausgegangen, dass die hier - nach Durchführung der Beweisaufnahme festgestellte und unstreitige - den Kindern des Beklagten erteilte Belehrung auch nach dem Maßstab, den der BGH in solchen Fällen angelegt hat, hinreichend ist.

 

Der BGH hat in seiner Tauschbörse II-Entscheidung (GRUR 2016, 184 [BGH 11.06.2015 - I ZR 7/14]) ausgeführt:

 

"Eltern sind verpflichtet, die Internetnutzung ihres minderjährigen Kindes zu beaufsichtigen, um eine Schädigung Dritter durch eine Urheberrechte verletzende Teilnahme des Kindes an Tauschbörsen zu verhindern. Allerdings genügen Eltern ihrer Aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes Kind, das ihre grundlegenden Gebote und Verbote befolgt, regelmäßig bereits dadurch, dass sie das Kind über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen belehren und ihm eine Teilnahme daran verbieten. Nicht ausreichend ist es insoweit, dem Kind nur die Einhaltung allgemeiner Regeln zu einem ordentlichen Verhalten aufzugeben."

 

Weiter hat der BGH in der angeführten Entscheidung geprüft, ob sich aus den dortigen Belehrungen eine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine Belehrung über die Rechtswidrigkeit der Teilnahme an Internettauschbörsen ergebe (Rn. 32). Eine Belehrung nur zu "ordentlichem Verhalten" ergebe diese nicht.

 

In Anwendung dieser Grundsätze ist die hier erfolgte Belehrung auch ohne den expliziten Hinweis, dass an Tauschbörsen nicht teilgenommen werden dürfe, als hinreichend anzusehen. Denn einerseits verlangt der BGH ausweislich seiner Urteilsbegründung gerade nicht immer und in jedem Fall, dass der Anschlussinhaber die Nutzer explizit auf Tauschbörsen hinweist. Vielmehr geht der BGH davon aus, dass die Aufsichtspflicht "regelmäßig" durch einen solchen Hinweis erfüllt werden könne. Anders als im Fall "Tauschbörse II" hat der Beklagte hier auch nicht nur allgemeine Verhaltensregeln aufgestellt, sondern explizit illegale Downloads untersagt. Die Ehefrau des Beklagten hat insoweit in ihrer Befragung ausgeführt, dass gesagt worden sei, dass die Kinder nur etwas herunterladen dürften, wenn das vorher mit ihnen abgesprochen worden sei. Der Sohn des Beklagten hat geäußert, dass sich bei ihm der Satz eingebrannt habe, wenn etwas in der realen Welt etwas kostet, dann gibt es das im Internet auch nicht umsonst (Protokoll vom 08.06.2018, S. 8, Bl. 76 d.A.). Auf dieser Grundlage ist das Amtsgericht in seiner Beweiswürdigung - von der Klägerin nicht angegriffen und ohne erkennbare Verstöße gegen Denk- und Naturgesetze oder Erfahrungssätze - zu dem Ergebnis gekommen, dass der Beklagte seine Kinder darüber belehrt habe, dass man keine illegalen Downloads aus dem Internet vornehmen dürfe. Es gebe im Internet grundsätzlich nichts umsonst, was in der realen Welt etwas koste.

 

Die Kammer ist der Auffassung, dass mit einem solch konkreten Hinweis - und nicht nur ordentlichen Verhaltensregeln - dem vom BGH aufgestellten Erfordernis Genüge getan ist. Der Urteilsbegründung des BGH in der Sache "Tauschbörse II" ist zu entnehmen, dass der Aufsichtspflicht durch Belehrung auch dann genügt werden kann, wenn die Nutzer deutlich und klar darüber aufgeklärt werden, dass eine Nutzung, die auch die Tauschbörsennutzung umfasst, nicht erfolgen darf. Dies soll jedenfalls nur bei Regeln zu "ordentlichem Verhalten" nicht der Fall sein.

 

Diese Voraussetzungen sind hier aber erfüllt. Der Beklagte hat nach den Feststellungen des Amtsgerichts seinen Kindern ausdrücklich aufgegeben, nichts Illegales herunterzuladen bzw. zu installieren. Der Beklagte hat darüber hinaus auch klar und deutlich definiert, was als "illegal" in diesem Sinne anzusehen sei, so dass die Kinder des Beklagten auch selbst ersehen konnten, welche Handlungen vom Verbot erfasst waren. Durch den Hinweis im Rahmen der Belehrung, dass es im Internet nichts umsonst gibt, was in der realen Welt etwas kostet, wurde faktisch auch jedwedes Agieren bei einer Tauschbörse von der Belehrung umfasst. Dies ist insbesondere dem Sohn des Beklagten erkennbar haften geblieben. Das Amtsgericht ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass jedenfalls der Sohn des Beklagten anhand der konkreten und eindrücklichen Belehrung zum Zeitpunkt einer angeblichen Rechtsverletzung davon ausgegangen wäre, dass der Download über Tauschbörsen-Software vom expliziten Verbot des Beklagten umfasst gewesen wäre.

 

Auch soweit die Klägerin rügt, dass das Amtsgericht nicht berücksichtigt habe, dass die Belehrung nicht wiederholt worden sei, verhilft das ihrer Berufung nach Auffassung der Kammer nicht zum Erfolg.

 

Zum einen ist bereits fraglich, ob der Beklagte die - wie oben dargestellt eindrückliche und haften gebliebene - Belehrung gegenüber seinen Kindern überhaupt hätte wiederholen müssen. Denn der BGH hat festgestellt, dass Eltern ihrer Aufsichtspflicht über ein normalentwickeltes Kind durch eine entsprechende Belehrung genügen. Weitere Pflichten sollen nur bestehen, wenn entsprechende Hinweise darauf bestehen, dass den Geboten nicht Folge geleistet wird. Ein solcher Anlass ist weder ersichtlich noch vorgetragen.

 

Diese Auffassung ist aus unserer Sicht lebensnah und begrüßenswert. Ob sich andere Richter einem solchen Verständnis jedoch anschließen, ist leider fraglich. Die Rechtsprechung in Sachen Filesharing ist oft unberechenbar und vielmehr lebensfremd.

 

Auch erklärt das Frankfurter Gericht noch einmal sehr deutlich und unmissverständlich sowie lesenswert die Darlegungs- und Beweislasten im Filesharing-Prozess:

 

Nach der Rechtsprechung des BGH kann eine tatsächliche Vermutung zu Lasten des Anschlussinhabers bestehen, wenn über seinen Internetanschluss eine Rechtsverletzung begangen wurde und nicht die ernsthafte Möglichkeit bestand, dass Dritte den Internetanschluss genutzt haben (BGH GRUR 2014, 657 = K&R 2014, 513 - BearShare; LG Frankfurt, Urt. v. 08.07.2015 - 2-06 S 8/15). Es besteht hingegen keine generelle Vermutung, dass der Anschlussinhaber Täter einer Urheberrechtsverletzung ist, die von seinem Anschluss aus begangen worden ist und die er widerlegen oder erschüttern müsste, nur weil er Inhaber des Anschlusses ist. Dies kommt nur in Betracht, wenn für die Täterschaft des Anschlussinhabers der bei typischen Geschehensabläufen eingreifende Beweis des ersten Anscheins (Anscheinsbeweis) spricht. Für die Annahme, der Inhaber eines Internetanschlusses sei ohne das Hinzutreten weiterer Umstände regelmäßig der Täter einer mittels dieses Anschlusses begangenen Urheberrechtsverletzung, fehlt es an einer hinreichenden Typizität des Geschehensablaufs. Angesichts der naheliegenden Möglichkeit, dass der Anschlussinhaber Dritten Zugriff auf seinen Anschluss einräumt, besteht für die Annahme der Täterschaft des Anschlussinhabers keine hinreichend große Wahrscheinlichkeit (BGH GRUR 2017, 1233 [BGH 30.03.2017 - I ZR 19/16] Rn. 18 f. - Loud).

 

Dem Anspruchsgegner obliegt daher eine sekundäre Darlegungslast. Diese führt aber weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast (§ 138 ZPO) hinausgehenden Verpflichtung des Anschlussinhabers, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen. Es besteht nämlich keine generelle Vermutung, dass der Anschlussinhaber Täter einer Urheberrechtsverletzung ist, die von seinem Anschluss aus begangen worden ist und die er widerlegen oder erschüttern müsste, nur weil er Inhaber des Anschlusses ist (BGH GRUR 2017, 386 [BGH 06.10.2016 - I ZR 154/15] Rn. 18 ff. - Afterlife; BGH GRUR 2017, 1233 [BGH 30.03.2017 - I ZR 19/16] Rn. 18 ff. - Loud).

 

Insoweit setzt sich das LG sodann als Berufungsinstanz in seinem Beschluss mit der in diesem Zusammenhang aktuell diskutierten und aus unserer Sicht oft über- und fehlinterpretierten Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EUGH) auseinander. Zu dieser EUGH-Entscheidung vertrat die Klägerin nämlich die auch andernorts häufig zu lesende Meinung:

 

Die Klägerin beruft sich ferner auf das EuGH-Urteil in Sachen "Bastei Lübbe" (Urteil vom 18.10.2018 - C-149/17, MMR 2018, 803). Hieraus ergebe sich, dass der Inhaber eines Internetanschlusses der ihn treffenden sekundären Darlegungslast erst gerecht werde, wenn er nachvollziehbar vortrage, welche Personen mit Rücksicht auf Nutzungsverhalten, Kenntnisse und Fähigkeiten sowie in zeitlicher Hinsicht Gelegenheit hatten, die fragliche Verletzungshandlung ohne Wissen und Zutun des Anschlussinhabers zu begehen. Rechtliche Folge sei, dass ein in Anspruch genommener Anschlussinhaber einem Täter gleich hafte, wenn er sich dafür entscheide, seine Familie zu schützen, wobei dies auch gelte, wenn der Anschlussinhaber substantiierten Vortrag zum Nutzungsverhalten der vorgeblichen Drittnutzer vorenthalten. Der Inhaber eines Internetanschlusses habe daher nachvollziehbar, vollständig und wahrheitsgemäß vorzutragen, welche Personen mit Rücksicht auf Nutzerverhalten, Kenntnisse und Fähigkeiten sowie in zeitlicher Hinsicht Gelegenheit hatten, die fragliche Verletzungshandlung zu begehen. Es müssten konkrete Anhaltspunkte dafür sprechen, dass die als Täter benannte Person auch tatsächlich für die Rechtsverletzung verantwortlich ist. Liege ein solcher Tatsachenvortrag nicht oder nicht vollständig vor, sei die sekundäre Darlegungslast nicht erfüllt. Der EuGH habe grundsätzlich in der sekundären Darlegungslast und der so genannten Tätervermutung im deutschen Recht einen "anderen wirksamen Rechtsbehelf" gemäß Rn. 53 des EuGH-Urteils erkannt. Vor diesem Hintergrund könne die Rechtsauffassung der Kammer im Hinweisbeschluss vom 09.10.2018 nicht aufrechterhalten werden.“

 

Dem ist das Berufungsgericht allerdings dogmatisch stringent entgegengetreten, indem es zunächst in Bezug auf die durch den Bundesgerichtshof oben zusammengefassten aufgestellten Grundsätze zur sogenannten sekundären Darlegungslast eines verklagten Anschlussinhabers feststellt... :

 

Diesen Anforderungen ist vorliegend Genüge getan. Insoweit geht es allerdings im Kern nicht mehr darum, ob der Beklagte seiner sekundären Darlegungslast nachgekommen ist. Denn das Amtsgericht hat nach Durchführung der Beweisaufnahme positiv festgestellt, dass andere Personen als der Beklagte die Möglichkeit zum Zugriff auf den Anschluss zum konkreten Tatzeitpunkt hatten und in der Lage gewesen wären, die Rechtsverletzung zu begehen. Damit hat der Beklagte nicht nur seine sekundäre Darlegungslast erfüllt, sondern sogar den Beweis geführt, dass die ernsthafte Möglichkeit des Zugriffs Dritter und der Tatbegehung durch diese bestand.“

 

... und schließlich ausführt:

 

 „bb. Darüber hinaus genügt das Urteil des Amtsgerichts entgegen der Auffassung der Klägerin auch den Anforderungen, die der EuGH in der von der Klägerin angeführten Entscheidung aufgestellt hat. Der EuGH ist in seiner Entscheidung von der Frage ausgegangen, ob die Instanzgerichte aufgrund des Vortrages des Anschlussinhabers daran "gehindert" seien, weitere Beweismittel zu sichern und auszuwerten, wenn der Anschlussinhaber mindestens ein Familienmitglied benennt, dem der Zugriff auf diesen Anschluss möglich war, ohne dass der Anschlussinhaber nähere Einzelheiten zu Zeitpunkt und Art der Nutzung durch dieses Familienmitglied mitteilen muss (EuGH, Urt. v. 18.10.2018 - C-149/17, MMR 2018, 803 Rn. 29, 51 - Bastei Lübbe; vgl. auch Forch, GRUR-Prax 2018, 509). Für diesen Fall hat der EuGH festgestellt, dass dem Erfordernis, ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Grundrechten zu gewährleisten, nicht genügt würde (EuGH, Urt. v. 18.10.2018 - C-149/17, MMR 2018, 803 Rn. 51).

 

Das Amtsgericht hat sich jedoch offenkundig aufgrund des Vortrages des hiesigen Beklagten und angesichts der Beweisangebote der Klägerin gerade nicht daran gehindert gesehen, die zur Verfügung stehenden Beweismittel - insbesondere die Zeugenvernehmung der Familienmitglieder - zu sichern und zu würdigen. Vielmehr ist das Amtsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass eine Vernehmung der Zeugen hier angezeigt war, um den Sachverhalt - auch zu Gunsten der Klägerin, wie es der EuGH verlangt - aufzuklären.“

 

Das LG Frankfurt am Main hat mit diesem Beschluss einmal mehr überzeugend die Rechte von Urhebern und Anschlussinhabern lebensnah in Einklang gebracht.

 

Haben Sie Rückfragen oder benötigen anwaltliche Beratung wie Vertretung im Urheberrecht oder in Sachen Filesharing, stehen wir Ihnen sehr gerne zur Verfügung.

 

 

„Filesharing: Ausreichende Belehrung der Kinder und niemand will es gewesen sein – Klageabweisung“

von Rechtsanwalt Jean Paul P. Bohne