Es ist viel Bewegung in Deutschland, wenn es um das Thema Urheberrecht geht. Spätestens seit den großen Demonstrationen gegen die neue Urheberrechtsreform ist das Thema aus den tagespolitischen Diskussionen nicht mehr wegzudenken.
Jetzt gab es eine Antwort auf die Frage, wer eigentlich bei Werken, die in anderen Ländern als gemeinfrei gewertet werden, aber in Deutschland noch urheberrechtlich geschützt sind, für eine Urheberrechtsverletzung in Deutschland haftet. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat nun mit Urteil vom 30.04.2019, Az. 11 O 27/18 entschieden und ist zu dem Schluss gekommen, dass sowohl die Gesellschaft, die die Werke veröffentlicht hat, als auch deren Geschäftsführer haftet.
Klägerin war hier ein Verlag, welcher u.a. Werke von Thomas Mann, Heinrich Mann und Alfred Döblin heraus gibt. Die Beklagte ist eine US-amerikanische „non-for-profit-Corporation“, welche eine international abrufbare Website betreibt, auf welcher in den USA gemeinfreie Werke veröffentlicht werden. Derzeit sind ca. 50.000 E-Books kostenfrei abrufbar, darunter auch 18 Werke in deutscher Sprache, welche die Klägerin in Deutschland herausgibt.
Das Hochladen der Werke auf der Internetplattform führt nicht die Beklagte selbst durch, sondern freiwillige Dritte. Die Beklagte überprüft jedoch vor der Veröffentlichung, ob die Werke gegen US-amerikanisches Urheberrecht verstoßen. Sonstige Verstöße überprüfte sie nicht.
Die Klägerin nahm die Beklagte daher auf Unterlassung in Anspruch. Sie ist der Ansicht, dass die Beklagte durch die vorgenannte Praxis die der Klägerin zustehenden Urheberrechte verletze. Damit hatte die Klägerin vor dem Landgericht (LG) Frankfurt am Main, Urteil vom 09.02.2018, Az. 2-03 O 494/14 auch Erfolg. Die dagegen gerichtete Berufung hatte keinen Erfolg.
Das OLG Frankfurt am Main stellte zunächst klar, dass das deutsche Urheberrecht im vorliegenden Fall auch anwendbar ist, da die Website in Deutschland aufgerufen werden kann und sich die gerichtliche Zuständigkeit laut den Regelungen des internationalen Privatrechts immer nach dem Schutzland richte.
In seiner Urteilsbegründung führte es aus, dass die Beklagte für die über die Webseite abrufbaren Werke hafte. Zwar habe die Beklagte die Inhalte nicht selbst hochgeladen, aber sie habe sich die Inhalte „zu eigen“ gemacht. Die von den freiwilligen Dritten hochgeladenen Werke wurden auf der Plattform als „our books“ bezeichnet. Auch als die Klägerin die Beklagte auf den noch bestehenden Urheberschutz in Deutschland hingewiesen hatte, bot die Beklagte weiterhin die zuvor genannten Werke an.
Das OLG Frankfurt am Main ging in seiner Entscheidung noch einen Schritt weiter und entschied, dass auch der Geschäftsführer der Beklagten für die Urheberrechtsverletzungen hafte, da die Entscheidung darüber, die literarischen Werke vor ihrer Veröffentlichung lediglich nach US-amerikanischem Urheberrecht zu prüfen, obwohl sich die Seite auch an deutsche Nutzer richtet, vom Geschäftsführer der Gesellschaft ausging.
"Urheberrecht: Internationale E-Book Plattform haftet für Urheberrechtsverletzung in Deutschland"
von Stephan Bergmann, wissenschaftlicher Mitarbeiter