Das Landgericht Frankfurt hat in einer Grundsatzentscheidung entschieden, dass den sozialen Netzwerken mehr Verantwortung für rechtswidrige Inhalte zukommt.
Konkret muss „Facebook als mittelbarer Störer Varianten eines persönlichkeitsrechtsverletzenden Posts mit kerngleichem Inhalt ohne erneuten Hinweis sperren.“ (Az. 2-03 O 188/21)
Der Entscheidung ging eine Klage der Grünen-Politikerin Renate Künast gegen das soziale Netzwerk Facebook voraus.
Bereits 2015 war die Politikerin gerichtlich gegen Verbreiter eines Memes vorgegangen auf der Künast mit den Worten „Integration fängt damit an, dass Sie als Deutscher erst mal türkisch lernen!“ zitiert wird und hatte die Löschung erwirkt. Tatsächlich hatte es eine solche Aussage von ihrer Seite nie gegeben, das Zitat war frei erfunden.
Jedoch hatte sich das Meme durch die „Teilen“ – Funktion und erneute Uploads auch in privaten Gruppen verbreitet und war so weiterhin abrufbar. Zudem befanden sich verschiedene Varianten des Bildes mit dem Falschzitat auf der Plattform, sodass das Löschen nur einer URL nicht zielführend war.
Mit der Klage vor dem Landgericht begehrte Renate Künast nun die Verpflichtung der Social Media Plattform sämtliche Meme Variationen, die im Kern die gleiche Rechtsverletzung darstellen, zu entfernen.
Zunächst stellte das Gericht fest, dass Falschzitate wie dieses persönlichkeitsrechtsverletzend sind. Insbesondere in Hinblick auf die Prominenz der Klägerin und ihrer Rolle als Politikerin seien die Auswirkungen auf eines der Klägerin in den Mund gelegten Satzes erheblich. So verhindert das Verbreiten der Falschzitate eine öffentliche Debatte über die Politikerin und ihre Positionen. Schließlich ist ein wirksamer Schutz der Persönlichkeitsrechte von Amtsträgerinnen und Amtsträgern neben der persönlichen Bedeutung für die betroffene Person im öffentlichen Interesse. „Denn eine Bereitschaft zur Mitwirkung in Staat und Gesellschaft kann nur erwartet werden, wenn für diejenigen, die sich engagieren und öffentlich einbringen, ein hinreichender Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte gewährleistet ist.“
Weiterhin stellt das Landgericht Frankfurt fest, dass es zwar nicht grundsätzlich eine Pflicht für den Host-Provider besteht die von Nutzern hochgeladenen Inhalte vor deren Veröffentlichung auf mögliche Rechtsverletzungen zu überprüfen. Eine Verantwortlichkeit besteht aber dann, wenn der Host-Provider Kenntnis von konkreten rechtwidrigen Inhalten erlangt und nicht umgehend tätig wird, um diese zu beenden. Darüber hinaus erachtet es das Gericht als zumutbar für den Host-Provider ohne weitere Aufforderung sämtliche Variationen von Inhalten mit der im Kern gleichen Rechtsverletzung ausfindig zu machen und zu löschen.
Der Fall zeigt auf wie schwer es für Betroffene ist gegen Falschzitate im Internet vorzugehen. Durch die Entscheidung betont das Gericht nicht nur den rechtsverletzenden Charakter von Falschzitaten, sondern stärkt die Rechte und Möglichkeiten der Betroffenen und nimmt die großen Social-Media-Plattformen in die Pflicht künftig inhaltgleiche Posts selbstständig zu suchen und zu löschen.
"LG Frankfurt a.M.: Facebook muss Verantwortung übernehmen" von
Cornelius Borski, wissenschaftlicher Mitarbeiter